mawgonDanke an Black Zora für die Inspiration.
Kommen wir zum Thema Realismus.
Problem: Im Mittelalter (oder sonst wann, oder heute noch) sind/waren alle total sexistisch. Muss man darüber nicht realistisch schreiben?
Lösung: Man kann realistisch darüber schreiben ohne es romantisch zu verbrämen. Schon fünfjährige Mädchen merken - auch heute noch - dass Jungs mehr dürfen, und das alles irgendwie ungerecht ist. Im Mittelalter soll das niemand gemerkt haben? Unwahrscheinlich.
Warum soll der unehelich Schwangeren, über die sich das ganze Dorf das Maul zerreißt, nicht auffallen, dass zum Kindermachen immer noch zwei gehören?
Warum sollen die Frauen im Tross eines Heeres nicht bemerken, dass die feinen Herren an der Front sehr schnell aufgeben würden, wenn ihnen nicht jemand den Arsch nachtragen würde?
Als Autorin kann man die Realität über die man schreibt nicht ändern, aber man kann entscheiden, über welche Einzelheiten man schreibt.
Jede Zeitung entscheidet, über welche Ereignisse sie in den Schlagzeilen berichtet und über welche in fünf Zeilen irgendwo im Mittelteil, oder eben gar nicht. Eine altbekannte Methode, die Wahrheit zu sagen, und trotzdem Einfluss auf die Meinungsbildung zu nehmen.
Weiterhin spielt das WIE eine Rolle.
Wenn ein Protagonist sich für den Tollsten hält, aber dauernd aus eigener Blödheit auf die Fresse fällt, dann wird aufmerksameren LeserInnen früher oder später auffallen, dass die Autorin bzw. der Autor diesen Typen wohl doch nicht für ganz so fehlerfrei hält.
Die kleine, bescheidene Magd, die sich aufgrund ihrer Erziehung für dumm und unbedeutend hält, kann anderen Protas zigmal den Hintern retten, dann wird irgendwem schon auffallen, dass das "Ich bin doch nur ein schwaches Weib" nicht die Meinung der Autorin ist.
Zur Recherche kann ich hier "Tess von den D'Urbervilles" empfehlen. Der Autor hat über seine eigene Zeit geschrieben, der er allerdings voraus war, und schafft es trotzdem, zu zeigen, dass der Protagonistin bitteres Unrecht geschieht.
Ferner stellt sich natürlich die Frage, ob man überhaupt realistisch schreiben will. Meine männlichen Figuren sind mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht realistisch. Weil ich Fantasy schreibe, und mir meine Welt mache wie sie mir gefällt. Dazu ist Fantasy (unter anderem) schließlich da. Wenn ich einen Bilbo Baggins will, der noch nie in seinem Leben von sowas blödem wie einem männergemachten Abtreibungsverbot gehört hat, dann mach ich das einfach. Basta.
Immerhin tue ich nicht so, als könnte man aus einem Frosch einen Prinzen machen. Bei mir sind alle von Anfang an Prinzen, und so viel Vernunft, zu erkennen, wenn ein Kerl im realen Leben eben kein Prinz sondern ein Frosch ist, trau ich meinen Leserinnen schon zu.