Von hier fortgesetzt. Tolkien schreibt ja bspw. auch nicht immer gleich - der Hobbit ist ganz anders als der Herr der Ringe und der wiederum ganz anders als das Silmarillion.
Das finde ich so unglaublich faszinierend an Tolkien! Und das geilste sind ja überhaupt die verschiedensten Sprachebenen innerhalb des Herrn der Ringe! *fangirl**fangirl**fangirl*
Er schrieb den Hobbit anno dazumal eigentlich in erster Linie als Gute Nacht Geschichte für seine Kinder und fügte das ganze nur marginal in sein Legendarium ein. Das merkt man auch (und wirft, wenn man kennt, was er parallel am eigentlichen Hauptwerk schrieb, ein interessantes Licht auf Elrond). Den Herrn der Ringe begann er überhaupt nur auf Drängen seines Verlegers, genauer dessen Sohnes. Der Hobbit war allen Fans noch frisch im Gedächtnis und Tolkien wollte direkt daran anknüpfen. Das hat er so auch zunächst begonnen, und wen die Details interessieren, dem lege ich an dieser Stelle allerwärmstens The Return of the Shadow und Folgebände ans Herz. Am Ende bekam der Herr der Ringe einen weitaus ernsteren und erwachseneren Ton, wie wir ja wissen. Ich hatte einmal auf dem Weg zur Arbeit dieses eine unglaublich geniale Erlebnis: Ich saß im Bus und hörte gerade den Soundtrack des dritten Filmes, zufälligerweise gerade genau eines der besten Stücke ever: The Battle of the Pelennor Fields. Just in diesem Moment las ich auch genau davon, wie Éomer nach Théodens Tod zum Speer griff und einen heroischen Heldentod in der Schlacht suchte, da er das Schicksal der Menschen besiegelt sah. Niemals zuvor hatte ein Buch bei mir das wirklich dringende Bedürfnis ausgelöst, zu meinem Speer zu greifen, auf mein Pferd zu steigen und an der Seite König Éomers in die Schlacht zu reiten. Boah, das war so mega, dieser Moment!
Nun ja, worauf ich hinaus wollte, ist, dass der Herr der Ringe insgesamt zwar diesen erwachsenen Ton hat, aber der ursprüngliche Gedanke noch immer recht deutlich durchschimmert. Immer, wenn die Rede auf die Hobbits kommt und der POV direkt bei ihnen liegt, wechselt Tolkien in den lockeren, verspielten Stil, das, was den Hobbit auszeichnet und das so typisch für seine Hobbits ist. Ich liebe das einfach! Diese einfache, bodenständige und vor allem sehr vertraute Redensweise. Ich denke auch, dass es genau darin begründet liegt, warum jeder Leser die Hobbits als die kleinen großen Helden feiert: Weil sie wie der Leser sind. Keine großen Krieger und Feldherren, sondern einfache Leute aus der Nachbarschaft. Man versteht sie, sie sind dem Leser viel näher als Gandalf oder Aragorn.
Okay, mit deinem Hintergrundwissen zu Tolkien kann ich nicht mithalten (ich find das fangirlen immer so bezaubernd :D), aber ich denke, dass es immer erst mal einfacher ist, etwas zu schreiben, was sich nicht an literarischen Maßstäben messen muss - wie z.B. ein Kinderbuch, und dass das vermutlich für Tolkien so eine Art Ausredencharakter hatte.
Gleichzeitig ist es auch interessant, dass es Tolkien offensichtlich mehr um Eskapismus ging als um die Erschaffung eines literarischen Werks für andere. Soll heißen, er hat ja gar nicht so sehr für die Veröffentlichung geschrieben als vielmehr für sich selber.
Diese Selbstgenügsamkeit ist einerseits die Stärke seines Werks, aber andererseits würde ich sagen auch seine Schwäche, wenn man es jetzt nach ästhetischen Kritierien betrachtet. (Sorry, ich bin in der Bez. vorbelastet)
Ich habe z.B. eine Weile (gefühlt) permanent die Diskussion geführt, dass der Herr der Ringe als eine Parabel auf den zweiten Weltkrieg zu verstehen sei (und möglicherweise auch gleich noch auf den ersten) und deswegen (gut / schlecht / andere Meinung) Man kann vermutlich nicht leugnen, dass natürlich die Erfahrung der Gegenwart und die Verarbeitung der Vergangenheit immer irgendwie eine Rolle spielt, aber ich glaube, dass das in Tolkiens Oeuvre wirklich sehr, sehr nachrangig ist.
Schon wenn man ihn mit Lewis vergleicht, fällt ja auf, dass er sich ziemlich zurückhält, was Aussagen über Moral oder Religion oder soetwas angeht.
Das macht das Werk einigermaßen zeitlos; damit transportiert es wenig "Wahrheit" oder "kritisches Potential" oder wie auch immer man es nennen möchte, aber gleichzeitig funktioniert es auch Jahrzehnte nach seiner Veröffentlichung immer noch. Das ist schon sehr beeindruckend.
Zur sprachlichen Ebene kann ich nicht so viel sagen, ich hab nur kürzlich die Wanderung durch die Dead Marshes ein paarmal gelesen, weil ich was darüber schreiben wollte, und war sehr positiv überrascht davon, dass das wirklich stilistisch ansprechend ist und Spaß macht zu lesen, während ich früher immer wahnsinnig genervt von den ausufernden Beschreibungen war. Ich werde da bei Gelegenheit mal mehr darauf achten.^^
ich find das fangirlen immer so bezaubernd :D Stell dir einen kleinen, schwarz-lila Flummi vor, der begeistert auf und ab hüpft und über das ganze Gesicht strahlt wie ein kleines Kind, das gerade seine Lieblingssüßigkeit bekommen hat. Dann weißt du in etwa, wie ich bei sowas aussehe xP
Gleichzeitig ist es auch interessant, dass es Tolkien offensichtlich mehr um Eskapismus ging als um die Erschaffung eines literarischen Werks für andere. Soll heißen, er hat ja gar nicht so sehr für die Veröffentlichung geschrieben als vielmehr für sich selber. Auch. Aber nicht nur. Der Anlass für überhaupt alles, was er in seinem Leben auch nur ansatzweise in philologischer Richtung tat, war seine große Liebe zu Sprachen. Er hatte schon in Kindheitsjahren mit seinem Bruder angefangen, sich Phantasiesprachen auszudenken. Der Ursprung seines Legendariums später waren die Sprachen, erst dann kamen die erdachten Völker, die diese Sprachen hatten sprechen können. Seine Intension, zu schreiben, was er schrieb, war, dass er seiner Heimat ein Nationalepos geben wollte. Der Beowulf ist angelsächsisch, also sozusagen "Importware", womit die Britten nicht in dem Sinne so etwas haben, wie die Finnen mit der Kalevala oder wir mit dem Niebelungen-Lied. Er hatte diesen Umstand immer sehr bedauert. Also bediente er sich mal hier, mal da und stoppelte sozusagen sein Legendarium zusammen, gewürzt mit eigenen Komponenten. (Sehr zu empfehlen sind da seine Werke: "The Tale of Kullervo" (erst ganz frisch erschienen, knapp einen Monat!), "Die Geschichte von Sigurd und Gúdrin" und "König Arthurs Untergang", die beiden letzten gib's sehr erfreulicher Weise sogar zweisprachig.) Den Begriff Eskapismus liebe ich aber sehr in diesem Zusammenhang. Überhaupt finde ich dieses Wort generell ziemlich geil. Da empfiehlt es sich, Tolkiens Essay "On Fairy-stories" zu lesen. Da referiert er nebst einigen anderen spannenden Begriffen wie sub-creation und eucatastrophe auch darüber. Ich muss allerdings dazu sagen: Der Essay ist nicht ohne. Ich hab ihn bis jetzt zweimal gelesen und werde ihn mindestens noch ein drittes Mal lesen müssen, um wirklich alles halbwegs gut verstanden zu haben. Er empfiehlt sich aber dennoch, besonders die verlinkte Ausgabe, da da einige interessante Nebeninformationen drinnen stehen über die Entstehungsgeschichte hinaus. Der Essay erschien schon zu Tolkiens Lebzeiten in "Tree and Leaf", eine interessante Zusammenstellung von Texten, die Tolkien selbst zusammenstellte. Heute würde allerdings statt "Leaf by Niggle" (ich liebe diese Erzählung sooo sehr!) wohl "The Smith of Wotton Mayor" drin stehen, einfach weil dieses Spätwerk wahrscheinlich der Inbegriff von fairy story für Tolkien gewesen war. Außerdem erschien der Essay noch in "Monsters and the Critics", welches ja von Krege übersetzt wurde, und da dürfte dann auch der Essay in Deutsch zu finden sein. (Weiß ich nicht genau, mittlerweile kauf ich gleich auf Englisch, einfach, weil noch nicht alles von Tolkien übersetzt wurde, und das uU auch noch dauert.)
O man, ich palaver schon wieder :D Aber Tolkien ist echt das Thema schlechthin, wo ich aus dem Ärmel ganze Referate schütteln könnte.
Diese Selbstgenügsamkeit ist einerseits die Stärke seines Werks, aber andererseits würde ich sagen auch seine Schwäche, wenn man es jetzt nach ästhetischen Kritierien betrachtet. (Sorry, ich bin in der Bez. vorbelastet) Wie meinst du das? Inwiefern Schwäche?
Man kann vermutlich nicht leugnen, dass natürlich die Erfahrung der Gegenwart und die Verarbeitung der Vergangenheit immer irgendwie eine Rolle spielt, aber ich glaube, dass das in Tolkiens Oeuvre wirklich sehr, sehr nachrangig ist. Jup, genauso. Tolkien selbst stritt im Vorwort der korrigierten Neuauflage des Herrn der Ringe (das zugegebener Maßen sehr naheliegende) Gerücht ab, er hätte mit dem Herrn der Ringe eine Allegorie auf den Ersten oder gar Zweiten Weltkrieg geschrieben. Seine Werke sind dennoch geprägt von den einschneidenden Erlebnissen, die er dort machte, auch wenn diese nicht das Kernelement der Texte sind. Das sind immer noch die Sprachen und ihre philologischen Entwicklungen.
Schon wenn man ihn mit Lewis vergleicht, fällt ja auf, dass er sich ziemlich zurückhält, was Aussagen über Moral oder Religion oder soetwas angeht. Man muss dazu sagen, dass beide, so gut sie sich auch verstanden, da sehr gute Freunde, doch sehr unterschiedliche Intensionen befolgten. Ich liebe die Chroniken von Narnia, obwohl Lewis ganz klar und sehr deutlich damit seine Kinderbibel schrieb (wofür er übrigens auch teilweise kritisiert wurde, allerdings nur deswegen, weil er vorher vor allem Fachliteratur schrieb). Ich mein, Lewis hat ganz klare Motive aus der Bibel nahezu eins zu eins übernommen: der Baum und die Frucht aus "Das Wunder von Narnia", Aslans Opferung und seine Wideraufersteheung in "Der König von Narnia" oder überhaupt Aslan himself als Allegorie zu Jesus, Sohn Gottes. Ich bin überzeugter Atheist (oder eigentlich eher Agnostiker), daher überrascht es mich ehrlich gesagt selbst, dass ich trotz allem Narnia so sehr liebe und über solche Dinge einfach hinweg sehen kann. (Ich hab, zum Verständnis, gestern einen halben Tobsuchtanfall bekommen, als ich vor der Uni einen Typen auf einer Leiter stehen sah und der einer kleine Gruppe Zuschauer irgenwelche kruden Dinge über Gott predigte. Ich musste sehr an mich halten, dem nicht irgendwelche flapsigen Worte zuzurufen im Vorbeigehen. Zugegebener Maßen war es irgendwie aber lustig, das Bild, das sich da einem bot. Erinnerte mich irgendwie hieran: https://www.youtube.com/watch?v=1XR3CQLBPL0) Tolkien hatte, wie gesagt, vor allem die Sprachen und ihre Beziehungen zueinander und ihre Veränderungen im Zuge von historischen Ereignissen im Sinn. Er war tiefgläubiger Katholik (was recht ungewöhnlich für einen Engländer ist), und aus diesem Aspekt heraus spielte seine Religion freilich auch eine durchaus sehr bemerkensewerte Rolle, wenn auch nicht so zentral wie bei Lewis, wie du ja bereits sagtest. (Wobei ich immer noch der Ansicht bin, dass die Valar durchaus Parallelen zur griechischen Götterwelt haben.)
Das macht das Werk einigermaßen zeitlos; damit transportiert es wenig "Wahrheit" oder "kritisches Potential" oder wie auch immer man es nennen möchte, aber gleichzeitig funktioniert es auch Jahrzehnte nach seiner Veröffentlichung immer noch. Das ist schon sehr beeindruckend. Das ist wie mit Shakespeare (und ich nenne beide sehr gerne in einem Atemzug). Beide greifen Themen auf, die einfach zeitlos sind und die keinerlei besonderen historischen Kontextes bedürfen, um verstanden zu werden. Liebe, Hass, Intrigen, Freundschaft, das ist alles allgemeingültig, und damit auch die Werke, die diese Dinge thematisieren. Ich hoffe sehr, dass Tolkien eines Tages einen solchen Stellenwert einnimmt, wie es Shakespeare bereits hat. Verdient hat er es auf alle Fälle.
no subject
Das finde ich so unglaublich faszinierend an Tolkien! Und das geilste sind ja überhaupt die verschiedensten Sprachebenen innerhalb des Herrn der Ringe! *fangirl**fangirl**fangirl*
Er schrieb den Hobbit anno dazumal eigentlich in erster Linie als Gute Nacht Geschichte für seine Kinder und fügte das ganze nur marginal in sein Legendarium ein. Das merkt man auch (und wirft, wenn man kennt, was er parallel am eigentlichen Hauptwerk schrieb, ein interessantes Licht auf Elrond). Den Herrn der Ringe begann er überhaupt nur auf Drängen seines Verlegers, genauer dessen Sohnes. Der Hobbit war allen Fans noch frisch im Gedächtnis und Tolkien wollte direkt daran anknüpfen. Das hat er so auch zunächst begonnen, und wen die Details interessieren, dem lege ich an dieser Stelle allerwärmstens The Return of the Shadow und Folgebände ans Herz. Am Ende bekam der Herr der Ringe einen weitaus ernsteren und erwachseneren Ton, wie wir ja wissen. Ich hatte einmal auf dem Weg zur Arbeit dieses eine unglaublich geniale Erlebnis: Ich saß im Bus und hörte gerade den Soundtrack des dritten Filmes, zufälligerweise gerade genau eines der besten Stücke ever: The Battle of the Pelennor Fields. Just in diesem Moment las ich auch genau davon, wie Éomer nach Théodens Tod zum Speer griff und einen heroischen Heldentod in der Schlacht suchte, da er das Schicksal der Menschen besiegelt sah. Niemals zuvor hatte ein Buch bei mir das wirklich dringende Bedürfnis ausgelöst, zu meinem Speer zu greifen, auf mein Pferd zu steigen und an der Seite König Éomers in die Schlacht zu reiten. Boah, das war so mega, dieser Moment!
Nun ja, worauf ich hinaus wollte, ist, dass der Herr der Ringe insgesamt zwar diesen erwachsenen Ton hat, aber der ursprüngliche Gedanke noch immer recht deutlich durchschimmert. Immer, wenn die Rede auf die Hobbits kommt und der POV direkt bei ihnen liegt, wechselt Tolkien in den lockeren, verspielten Stil, das, was den Hobbit auszeichnet und das so typisch für seine Hobbits ist. Ich liebe das einfach! Diese einfache, bodenständige und vor allem sehr vertraute Redensweise. Ich denke auch, dass es genau darin begründet liegt, warum jeder Leser die Hobbits als die kleinen großen Helden feiert: Weil sie wie der Leser sind. Keine großen Krieger und Feldherren, sondern einfache Leute aus der Nachbarschaft. Man versteht sie, sie sind dem Leser viel näher als Gandalf oder Aragorn.
no subject
Gleichzeitig ist es auch interessant, dass es Tolkien offensichtlich mehr um Eskapismus ging als um die Erschaffung eines literarischen Werks für andere. Soll heißen, er hat ja gar nicht so sehr für die Veröffentlichung geschrieben als vielmehr für sich selber.
Diese Selbstgenügsamkeit ist einerseits die Stärke seines Werks, aber andererseits würde ich sagen auch seine Schwäche, wenn man es jetzt nach ästhetischen Kritierien betrachtet. (Sorry, ich bin in der Bez. vorbelastet)
Ich habe z.B. eine Weile (gefühlt) permanent die Diskussion geführt, dass der Herr der Ringe als eine Parabel auf den zweiten Weltkrieg zu verstehen sei (und möglicherweise auch gleich noch auf den ersten) und deswegen (gut / schlecht / andere Meinung) Man kann vermutlich nicht leugnen, dass natürlich die Erfahrung der Gegenwart und die Verarbeitung der Vergangenheit immer irgendwie eine Rolle spielt, aber ich glaube, dass das in Tolkiens Oeuvre wirklich sehr, sehr nachrangig ist.
Schon wenn man ihn mit Lewis vergleicht, fällt ja auf, dass er sich ziemlich zurückhält, was Aussagen über Moral oder Religion oder soetwas angeht.
Das macht das Werk einigermaßen zeitlos; damit transportiert es wenig "Wahrheit" oder "kritisches Potential" oder wie auch immer man es nennen möchte, aber gleichzeitig funktioniert es auch Jahrzehnte nach seiner Veröffentlichung immer noch. Das ist schon sehr beeindruckend.
Zur sprachlichen Ebene kann ich nicht so viel sagen, ich hab nur kürzlich die Wanderung durch die Dead Marshes ein paarmal gelesen, weil ich was darüber schreiben wollte, und war sehr positiv überrascht davon, dass das wirklich stilistisch ansprechend ist und Spaß macht zu lesen, während ich früher immer wahnsinnig genervt von den ausufernden Beschreibungen war. Ich werde da bei Gelegenheit mal mehr darauf achten.^^
no subject
Stell dir einen kleinen, schwarz-lila Flummi vor, der begeistert auf und ab hüpft und über das ganze Gesicht strahlt wie ein kleines Kind, das gerade seine Lieblingssüßigkeit bekommen hat. Dann weißt du in etwa, wie ich bei sowas aussehe xP
Auch. Aber nicht nur. Der Anlass für überhaupt alles, was er in seinem Leben auch nur ansatzweise in philologischer Richtung tat, war seine große Liebe zu Sprachen. Er hatte schon in Kindheitsjahren mit seinem Bruder angefangen, sich Phantasiesprachen auszudenken. Der Ursprung seines Legendariums später waren die Sprachen, erst dann kamen die erdachten Völker, die diese Sprachen hatten sprechen können. Seine Intension, zu schreiben, was er schrieb, war, dass er seiner Heimat ein Nationalepos geben wollte. Der Beowulf ist angelsächsisch, also sozusagen "Importware", womit die Britten nicht in dem Sinne so etwas haben, wie die Finnen mit der Kalevala oder wir mit dem Niebelungen-Lied. Er hatte diesen Umstand immer sehr bedauert. Also bediente er sich mal hier, mal da und stoppelte sozusagen sein Legendarium zusammen, gewürzt mit eigenen Komponenten. (Sehr zu empfehlen sind da seine Werke: "The Tale of Kullervo" (erst ganz frisch erschienen, knapp einen Monat!), "Die Geschichte von Sigurd und Gúdrin" und "König Arthurs Untergang", die beiden letzten gib's sehr erfreulicher Weise sogar zweisprachig.)
Den Begriff Eskapismus liebe ich aber sehr in diesem Zusammenhang. Überhaupt finde ich dieses Wort generell ziemlich geil. Da empfiehlt es sich, Tolkiens Essay "On Fairy-stories" zu lesen. Da referiert er nebst einigen anderen spannenden Begriffen wie sub-creation und eucatastrophe auch darüber. Ich muss allerdings dazu sagen: Der Essay ist nicht ohne. Ich hab ihn bis jetzt zweimal gelesen und werde ihn mindestens noch ein drittes Mal lesen müssen, um wirklich alles halbwegs gut verstanden zu haben. Er empfiehlt sich aber dennoch, besonders die verlinkte Ausgabe, da da einige interessante Nebeninformationen drinnen stehen über die Entstehungsgeschichte hinaus. Der Essay erschien schon zu Tolkiens Lebzeiten in "Tree and Leaf", eine interessante Zusammenstellung von Texten, die Tolkien selbst zusammenstellte. Heute würde allerdings statt "Leaf by Niggle" (ich liebe diese Erzählung sooo sehr!) wohl "The Smith of Wotton Mayor" drin stehen, einfach weil dieses Spätwerk wahrscheinlich der Inbegriff von fairy story für Tolkien gewesen war. Außerdem erschien der Essay noch in "Monsters and the Critics", welches ja von Krege übersetzt wurde, und da dürfte dann auch der Essay in Deutsch zu finden sein. (Weiß ich nicht genau, mittlerweile kauf ich gleich auf Englisch, einfach, weil noch nicht alles von Tolkien übersetzt wurde, und das uU auch noch dauert.)
O man, ich palaver schon wieder :D Aber Tolkien ist echt das Thema schlechthin, wo ich aus dem Ärmel ganze Referate schütteln könnte.
Wie meinst du das? Inwiefern Schwäche?
Jup, genauso. Tolkien selbst stritt im Vorwort der korrigierten Neuauflage des Herrn der Ringe (das zugegebener Maßen sehr naheliegende) Gerücht ab, er hätte mit dem Herrn der Ringe eine Allegorie auf den Ersten oder gar Zweiten Weltkrieg geschrieben. Seine Werke sind dennoch geprägt von den einschneidenden Erlebnissen, die er dort machte, auch wenn diese nicht das Kernelement der Texte sind. Das sind immer noch die Sprachen und ihre philologischen Entwicklungen.
Man muss dazu sagen, dass beide, so gut sie sich auch verstanden, da sehr gute Freunde, doch sehr unterschiedliche Intensionen befolgten. Ich liebe die Chroniken von Narnia, obwohl Lewis ganz klar und sehr deutlich damit seine Kinderbibel schrieb (wofür er übrigens auch teilweise kritisiert wurde, allerdings nur deswegen, weil er vorher vor allem Fachliteratur schrieb). Ich mein, Lewis hat ganz klare Motive aus der Bibel nahezu eins zu eins übernommen: der Baum und die Frucht aus "Das Wunder von Narnia", Aslans Opferung und seine Wideraufersteheung in "Der König von Narnia" oder überhaupt Aslan himself als Allegorie zu Jesus, Sohn Gottes. Ich bin überzeugter Atheist (oder eigentlich eher Agnostiker), daher überrascht es mich ehrlich gesagt selbst, dass ich trotz allem Narnia so sehr liebe und über solche Dinge einfach hinweg sehen kann. (Ich hab, zum Verständnis, gestern einen halben Tobsuchtanfall bekommen, als ich vor der Uni einen Typen auf einer Leiter stehen sah und der einer kleine Gruppe Zuschauer irgenwelche kruden Dinge über Gott predigte. Ich musste sehr an mich halten, dem nicht irgendwelche flapsigen Worte zuzurufen im Vorbeigehen. Zugegebener Maßen war es irgendwie aber lustig, das Bild, das sich da einem bot. Erinnerte mich irgendwie hieran: https://www.youtube.com/watch?v=1XR3CQLBPL0)
Tolkien hatte, wie gesagt, vor allem die Sprachen und ihre Beziehungen zueinander und ihre Veränderungen im Zuge von historischen Ereignissen im Sinn. Er war tiefgläubiger Katholik (was recht ungewöhnlich für einen Engländer ist), und aus diesem Aspekt heraus spielte seine Religion freilich auch eine durchaus sehr bemerkensewerte Rolle, wenn auch nicht so zentral wie bei Lewis, wie du ja bereits sagtest. (Wobei ich immer noch der Ansicht bin, dass die Valar durchaus Parallelen zur griechischen Götterwelt haben.)
Das ist wie mit Shakespeare (und ich nenne beide sehr gerne in einem Atemzug). Beide greifen Themen auf, die einfach zeitlos sind und die keinerlei besonderen historischen Kontextes bedürfen, um verstanden zu werden. Liebe, Hass, Intrigen, Freundschaft, das ist alles allgemeingültig, und damit auch die Werke, die diese Dinge thematisieren. Ich hoffe sehr, dass Tolkien eines Tages einen solchen Stellenwert einnimmt, wie es Shakespeare bereits hat. Verdient hat er es auf alle Fälle.
Diskurs Ende :D